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Jahresbericht 2024: Antiziganistische Vorfälle in Rheinland-Pfalz

(v.l.nr.) Dr. Johannes Korff (Projektmitarbeiter MIA RLP), Dr. Guillermo Ruiz (Geschäftsführer MIA Bund), Jacques Delfeld Jr. (Geschäftsführer VDSR), Michael Hartmann (Antiziganismusbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz)

Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus Rheinland-Pfalz (MIA-RLP) veröffentlicht ihren zweiten Jahresbericht. Die Zahlen und Analysen zeigen: Antiziganismus bleibt auch 2024 ein ernstes gesellschaftliches Problem. Insgesamt wurden 59 antiziganistische Vorfälle dokumentiert – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr.

Diese Zunahme verdeutlicht einerseits, dass Antiziganismus weiterhin tief in gesellschaftlichen Strukturen verankert ist. Zugleich zeigt sie, dass die Meldestelle MIA-RLP bekannter wird und Betroffene zunehmend Vertrauen finden, ihre Erfahrungen zu teilen.


Was ist Antiziganismus?

Antiziganismus beschreibt die gesellschaftlich tradierte Wahrnehmung, Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen, die als „Zigeuner“ konstruiert werden – darunter Sinti und Roma, Jenische und Reisende.
Er ist ein strukturell verankerter Rassismus, der über Jahrhunderte gewachsen ist und bis heute in Sprache, Institutionen und Alltagsverhalten fortbesteht.

MIA-RLP dokumentiert antiziganistische Vorfälle nach bundesweit einheitlichen Kriterien. Ziel ist es, sichtbar zu machen, was sonst übersehen wird – und aus den Erkenntnissen konkrete Maßnahmen gegen Diskriminierung abzuleiten.


Zahlen und Entwicklungen 2024

Im Jahr 2024 wurden insgesamt 59 Vorfälle gemeldet. Diese verteilen sich auf folgende Kategorien:

  • (Non)verbale Herabwürdigung und Stereotypisierung: 39 Fälle

  • Diskriminierung: 11 Fälle

  • Sachbeschädigung: 6 Fälle

  • Bedrohung: 2 Fälle

  • Angriff: 1 Fall

Besonders auffällig ist der Anstieg verbaler und nonverbaler Herabwürdigungen. Diese Form des Antiziganismus tritt häufig im Bildungsbereich, in Behörden und im Alltag auf – oft subtil, aber mit spürbaren Folgen für die Betroffenen.

„Antiziganismus ist kein Randphänomen. Er durchzieht gesellschaftliche Strukturen – und muss dort bekämpft werden, wo er entsteht.“
Christian Kling, Vorstandsvorsitzender des Verbands Deutscher Sinti und Roma – Landesverband Rheinland-Pfalz


Strukturelle und institutionelle Diskriminierung

Viele der gemeldeten Vorfälle zeigen, dass Antiziganismus nicht nur in offenen Anfeindungen, sondern auch in institutionellen Abläufen wirkt – etwa durch
unfaire Behördenentscheidungen, Vorurteile in Schulen oder abwertende Bemerkungen im Verwaltungskontext.

Ein Beispiel aus dem Bericht:
In einem amtlichen Eintrag wurde eine Person pauschal als Angehörige einer Gruppe bezeichnet, „die an regelmäßiges Arbeiten nicht gewöhnt“ sei.
Solche Aussagen sind keine Lappalie – sie zeigen, wie tief rassistische Denkmuster in Strukturen eingebettet sind.


Regionale Schwerpunkte: Fokus Koblenz

Der Bericht legt 2024 einen besonderen Fokus auf Koblenz, wo mehrere Fälle von Sachbeschädigungen und Schmierereien an Gedenkorten registriert wurden. Diese Vorfälle zeigen, dass antiziganistische Tendenzen regional konzentriert auftreten können.
MIA-RLP fordert daher gezielte Sensibilisierungs- und Bildungsmaßnahmen in betroffenen Regionen.


Beratung und Unterstützung für Betroffene

Neben der Dokumentation bietet MIA-RLP auch Beratung und Unterstützung an.
In Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz und der Betroffenenberatung Rheinland-Pfalz erhalten Betroffene:

  • juristische Erstberatung

  • psychosoziale Unterstützung

  • Begleitung bei Verfahren und Terminen

  • Verweisberatung und aufsuchende Hilfe

Ziel ist, die Selbstwirksamkeit der Betroffenen zu stärken und ihre gesellschaftliche Teilhabe zu fördern.


Sensibilisierung und Bildung

Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von MIA-RLP ist die Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit.
Durch Workshops, Vorträge und Bildungsangebote werden staatliche und zivilgesellschaftliche Akteur*innen für Antiziganismus sensibilisiert.
So trägt MIA-RLP dazu bei, Vorurteile zu dekonstruieren und Bewusstsein für historische wie aktuelle Diskriminierung zu schaffen.


Gemeinsam gegen Antiziganismus

Der Jahresbericht 2024 zeigt deutlich:
Antiziganismus ist kein vergangenes Phänomen – er betrifft Menschen in Rheinland-Pfalz auch heute, in Schule, Arbeit und Alltag.
Die Bekämpfung dieser Form des Rassismus erfordert gemeinsames Handeln von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft.

MIA-RLP bleibt Anlaufstelle für alle, die Antiziganismus erleben, beobachten oder sich für seine Bekämpfung einsetzen wollen.


Melden Sie antiziganistische Vorfälle

Haben Sie selbst einen antiziganistischen Vorfall erlebt oder beobachtet?
Ihre Erfahrung zählt – sie hilft, sichtbar zu machen, was sonst übersehen wird.

📍 Online-Meldung: www.mia-rlp.de/vorfall-melden
📧 E-Mail: mia-rlp@mia-bund.de
📞 Telefon: +49 (0)160 924 717 57 (Anruf, Nachricht oder Sprachnachricht)
📱 Instagram: @mia_rheinland_pfalz